Schreib mal wieder

Designtrends Lettering & Co.

Handgeschriebenes gibt es immer weniger, Handgetipptes umso mehr. Digitale Geräte haben die Welt im Sturm erobert und unsere Kommunikation revolutioniert. Ob E-Mail, Whatsapp oder Skype – digitale Kanäle ermöglichen eine große Vielfalt an persönlichen Interaktionen. Ihr unschlagbarer Vorteil: Schnelligkeit. Kaum ist eine Nachricht getippt, folgt prompt die Antwort. Der analoge Brief kommt im Vergleich mit der sprichwörtlichen Schneckenpost daher.

Revival der Handschrift

Das Schreiben mit der Hand ist keine natürliche Fähigkeit, sondern eine, die allen 28 Muskeln in der Hand beigebracht werden muss

Doch sind die Zeiten der handgeschriebenen ­Botschaften wirklich vorbei? Im Gegenteil, meint die Designerin Lisa Congdon. Sie beobachtet vielmehr ein Revival des Handgeschriebenen, das als Ausdrucksform immer mehr Anhänger bekommt. Sei es in Form von Kalligrafie oder Lettering – nachdem Computerschriften seit den achtziger Jahren ihren Erfolgszug feierten, haben die Menschen heutzutage wieder Lust, Buchstaben selbst zu schreiben.

Stichwort: Entschleunigung

Auch das Grafikdesign folgt diesem Trend nicht erst seit gestern. Retro, Watercolour, Handwritten sind ­Gestaltungsmoden, die das Handgemachte feiern und Handschriften imitieren. „Wir hatten es lange nur mit digitaler Gestaltung zu tun. Vielleicht ist es eine ­Reaktion auf die stark digitale Ausrichtung unseres Berufs, sich wieder händisch Produziertem zuzuwenden. Da steckt viel Persönliches drin“, sagt Elvira Stein, eine auf Lettering spezialisierte Grafikdesignerin.

Viele sehen die Entwicklung auch als Reaktion auf die Dominanz des sogenannten Flat Designs, einem grafisch minimalistischen Webdesign, das über alle Geräte und digitalen Kanäle hinweg auch Einzug in Print und Werbung gehalten hat. Im Gegensatz dazu nehmen sich Script Fonts und Handwritten Fonts, also digitale Schriftsätze, die Handschrift nachahmen, als verspielt und kunstvoll aus. Schriftdesigner und Grafiker wie der Argentinier Alejandro Paul versuchen ­dabei mit ihren Schriften wie der Hipster Script Pro die Lücke zwischen Schreibschrift und Computerschrift zu schließen.

Typografie = die Darstellung eines Schriftbildes durch das Setzen vorgefertigter Formen, das Festlegen der Anordnung, der Buchstaben, der Zeilenabstände etc. Die Lesbarkeit und Harmonie spielt bei gesetzten Texten eine große Rolle.

Typografie dieser Art gibt es seit Jahrzehnten. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfüllten geschwungene Pinselschriften Werbetafeln mit ihrem Charme. Vor ein paar Jahren traten sie dann ihren Siegeszug vor allem im Lifestyle- und Logobereich an. Wie ­facettenreich das Schreiben und Schriften sind, konnte man auch auf der diesjährigen Leitmesse TYPO Berlin sehen. Hier zeigte sich auch, dass man wie bei jedem anderen angesagten Design mit Fingerspitzengefühl vorgehen muss. Denn bei der Gestaltung sollte jedem Designer klar sein, dass die bisweilen nostalgischen Entwürfe nicht für jedes Medium und jeden Kunden geeignet sind. Richtig eingesetzt kann ein moderner Font jedoch wunderbar Emotionen transportieren und ist so individuell und persönlich wie eine Unterschrift. Einzigartige Wortmarken erhalten einen hohen Wiedererkennungswert, verbunden mit Sympathie, Charme und Individualität – Instagram und Pinterest sind hierfür beste Beispiele.

Kalligrafie und Handlettering reflektieren nicht nur den Hang zu Retro und Vintage, sie spiegeln eine neue DIY-Kultur: Es wird gebastelt, gehobelt, gestrickt. Selbstgemachtes ist in. Zeit spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Die händische Gestaltung einzelner Buchstaben braucht natürlich viel länger als das simple Tippen einer Computertaste. Das Schreiben und das detailverliebte Entwickeln der idealen Schreibweise verleiht dem Handgeschriebenen eine höhere Wertigkeit und persönliche Note. Für viele, die das Lettering als Hobby betreiben, liegt darin der besondere Reiz. Während die Geschwindigkeit in der digitalen Gesellschaft immer stärker zunimmt, sehnen sich die Menschen vermehrt nach Entschleunigung. So kann die ­Möglichkeit, sich in Ruhe mit einzelnen Dingen zu beschäftigen und diese ganz bewusst zu tun, ein wahrer Luxus sein – wie zum Beispiel Briefe schreiben.

Beim Lettering entstehen individuelle Schriftzüge, die nicht geschrieben, sondern eher gezeichnet werden. Das kann zum Beispiel für Logos geschehen, als Beschriftung an Hausfassaden oder auf Plakaten. Beim Lettering wird häufig wirklich entworfen: von der Skizze über das Raster bis hin zum exakten Ausarbeiten der einzelnen Buchstaben.

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