Kühe sind lila

Farbpsychologie – Wie wir uns durch Farben beeinflussen lassen

Haben Sie sich schon einmal überlegt, warum wir unsere Umwelt farbig wahrnehmen und nicht etwa schwarz-weiß? Warum gibt sich die Natur so unglaublich viel Mühe, sogar in der dunkelsten Tiefsee Meeresbewohner bunt zu färben? Und wieso können ausgerechnet wir Menschen Farben als solche erkennen, andere Lebewesen aber nicht?
Wie alles in der Natur haben auch Farben eine Funktion, nämlich das Überleben ihrer Bewohner zu sichern. Die Farbgestaltung ­unserer Umgebung dient uns als Orientierungshilfe, sie leitet uns durchs natür­liche Chaos. Ohne Farben könnten Tier und Mensch Reifes nicht von Unreifem unterscheiden, Verdorbenes nicht von Essbarem, Gefährliches nicht von Harmlosem.

Seriöse Versicherer und lila Kühe

Farbe hat enormen Einfluss auf unser ­Denken, Fühlen und Handeln – ob wir wollen oder nicht. Für die Industrie, vor allem für die Werbewirtschaft, ist es ganz wesentlich, dass wir die Wirkung von Farbe kaum ­steuern können: Farben wecken Emotionen, wir assoziieren bestimmte Werte und ­Vorstellungen mit ihnen und verbinden diese ganz unwillkürlich mit den jeweiligen Produkten bzw. Marken. Eine Versicherung in pink? Nicht sehr vertrauenswürdig! Dann schon eher dunkelbau, das suggeriert ­Vertrauen und Seriosität.

Wie manipulativ und gelernt Farben sein können, sieht man am Beispiel Milka. Als der Schokoladenhersteller in den 1970er Jahren eine neue Kampagne entwickelte, stieß der Vorschlag von Harald Braem, Designer und Farbpsychologe, eine lila Kuh auf die Weide zu stellen, erst einmal auf wenig Gegenliebe. Lila verband damals niemand mit feiner, ­süßer Schokolade. Letztlich setzte sich ­Braem mit seiner Idee durch, und heute wundert sich niemand über das lila Rindvieh.

Kreatives Blau, konzentriertes Rot

Die Wissenschaft interessiert sich seit Langem für Farbe als Manipulationsinstrument. Psychologen untersuchen regelmäßig, wie der Einsatz von Farben die Gehirnleistung verändern kann. So zeigte sich etwa, dass Probanden eine bessere Kreativleistung ­abliefern, wenn sie an blauen Computermonitoren arbeiten: Texte schreiben, Spiele entwickeln, solche Dinge werden am ­besten in blauer Umgebung erledigt. Aufgaben, die ein hohes Maß an Konzentration und ­Aufmerksamkeit für Details erfordern wie etwa mathematische Problemstellungen wurden hingegen vor roten Bildschirmen besser gemeistert.

Die Wissenschaftler erklären sich das mit dem angeborenen und erlernten Umgang mit Farben. Rot verbinden wir demnach mit Warnung, Gefahr, Fehler und reagieren ­daher aufmerksamer. Blau hingegen assoziieren viele Menschen mit Ruhe und Entspannung: Blauer Himmel und blaues Wasser sind ­Zeichen dafür, dass alles ruhig ist und keine Gefahr droht, der Körper kann aus­rasten und die Gedanken können kreisen.

Welche Farbe welche Reaktion bzw. ­Assoziation hervorruft, ist mittlerweile gut ­untersucht. Dabei ist die Botschaft einer ­Farbe oft wichtiger als die Farbe selbst. ­Purpur ­beispielsweise verbinden viele ­Betrachter mit kostbaren, samtigen Stoffen und wertvollen Gewändern. Das liegt wohl daran, dass man heute weiß, wie aufwendig diese Farbe früher herzustellen war.

Auch Grün weckt Assoziationen: gesund, natürlich, frisch. Genauso verhält es sich mit allen anderen Farben: Rot für die Liebe, Weiß für Reinheit, Gelb für Dynamik.

Rot – bei Babys der letzte Schrei

Die Vorliebe für eine bestimmte Farbe wird uns tatsächlich in die Wiege gelegt: Vier ­Monate alte Babys freuen sich besonders über ein kräftiges Lila. Auch Rot und Orange gehören zu den Lieblingsfarben von Klein­kindern, wie eine britische Psychologin herausgefunden hat. Das steht in Zusammenhang mit der Entwicklung des Farbsehens. Neugeborene erkennen nämlich zuerst Rottöne, erst danach kommen Grün, Gelb und im Alter von vier Monaten schließlich Blau.

Bis zu einem Alter von drei oder vier Jahren halten Rot und Lila die Pole Position im ­Farbenranking. Dann beginnen die Kinder, eine eigene Geschlechtsidentität zu entwickeln und Mädchen greifen zunehmend zu Pink, Rosa und Violett, während die Jungs ganz stark zu Blau und Grün tendieren. Dabei war es im 19. Jahrhundert noch anders­herum: Blau war eine Mädchenfarbe, Rottöne hingegen wurde als aggressiv wahrgenommen und für Jungenkleidung verwendet.

Heutzutage favorisieren Frauen Rot, ­nämlich zu 22 Prozent, wie eine Umfrage des Deutschen Lackinstituts DLI von 2016 ­ergab, während Männer lieber Blau mögen (23 ­Prozent). Überhaupt sind Frauen eher auf der freundlicheren Seite des Farbspektrums zu finden, in den Bereichen Rot, Gelb, Beige und Orange. Mit der Treue zu ihrer Lieblingsfarbe nehmen es Erwachsene mehr oder weniger genau. Waren es im Jahr 2014 ­insgesamt noch 40 Prozent der befragten Männer und Frauen, die Blau als Lieblingsfarbe nannten, fiel der Anteil der Blau-Liebhaber im Jahr 2016 auf magere 19 Prozent.

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